happy birthday ironhorse

Heuer feiert die Firma aus Milwaukee, der wir historische Ecksteine der motorisierten Zweiradgilde verdanken ihren hundertzehnten Geburtstag, und mir wurde die Ehre zu Teil, unser kleines feines `Motorradmagazin´ bei den ersten Festivitäten am alten Kontinent in Berlin zu vertreten. Wie Sie wissen (nicht protestieren, bitte weiterlesen, nach dem übernächsten Satzzeichen hab´ ich wieder recht), bin ich beim Motorradmagazin als Rollerbeauftragter für die alltägliche Befriedigung der einspurigen Fortbewgung zuständig. Ab und an, wenn die geschätzten jugendlichen Sturm-und-Drang-Kollegen aus der Redaktion vor lauter Knie auf den Asphalt drücken wieder mal nicht die Zeit finden, sich mit weniger dynamischen Krafträdern abzugeben, komme ich in den Genuss, `echte´ Motorräder zu fahren. Oder solche, wo mit den üblichen termini technici betreffend Schräglage, Frontwheelresponse, Höchstgeschwindigkeit und Rundenzeitenpotential dem zu beschreibenden Zweirad nicht beizukommen ist. Und so gelang es mir unerwrtet innert weniger Tage einen tieferen Einblick in die Modellpalette derer von H.D. zu gewinen.
Oft beginnen solche Erfahrungen mit einem Anruf des Chefredakteurs, „du tätest mir einen grossen Gefallen, wenn du ein Radl abholen könntest“, oder, wie neulich, eine Harley zum Fischer bringen, und eine andere dafür abholen. Nun, nichts leichter als das, nach fast vier Jahrzehnten Fahrpraxis sollte die Überstellung eines derartigen selbstfahrenden Anachronismus´ auch kein Problem darstellen.
Denkste! In der Tiefgarage wartet ein kiniehohes Fahrzeug namens Softail Blackline, von der Anmutung der alten Honda Shadow 600 vergleichbar, nur etwa doppelt so lang. Ungünstigerweise wurde das zusätzliche Eisen zwischen Lenker und Sitzpolsterl eingefügt, das Gouvernal ist um jene zehn Inch zu schmal, um welche die Fussraster zu weit vorne und aussen montiert sind. Schon das Rangieren zwischen den Betonsäulen ist ein schweisstreibender Balanceakt, wirklich spannend wird´s dann draussen im Verkehr, es regnet, sowohl Vorder- als auch Hinterrad befördern die trübe Brühe in Gesicht wie alle erdenklichen Körperöffnungen des Fahrers, und das irgendwo weit vorne Montierte Vorderrad schlittert über Strassebahnschienen und Zebrastreifen, ohne dem Fahrer irgendwelche Informationen über Strassenzustand oder Haftungsgrenzen zu vermitteln. Nur die Maschine scheint ganz passabel zu sein.
Selbst der offizielle Harleyverkäufer kann diesem Modell nichts abgewinnen, „so wenig Motorrad, für so viel Geld, ich frag mich selber, wer sowas kauft“, meint er bei der Übergabe, aber die nächste könnte mir Gefallen, meint er. Optisch stimmt das nur bedingt, die Softail De Luxe, die als nächstes fahren soll, schaut nach Cowboy Bike aus, ein bisserl kitschig, aber wenigstens richtig fette Kotflügel, also grad recht für die im Sommer ´11 vorherrschenden Klimabedingungen. Platz nehmend empfängt mich der Nostalgiedampfer mit ihrem breiten Lenker, dem komfortablen Traktorsitz äusserst entgegenkommend, selbst die, doch etwas weit vorne montierten Trittbretter treffe ich beim zweiten mal fast blind. Losfahren funktioniert problemlos und unauffällig, das illegale Einordnen in die Triesterstrasse stadteinwärts über die doppelte Sperrlinie kinderleicht, Motor, Kupplung und Schaltung erledigen ihren jeweiligen Job zu vollster Zufriedenheit, ohne dass man sich darüber Gedanken machen muss. Nach fünf Minuten schon trag ich ein dickes Grinsen unter´m Helm, selbst im dichten Stadtverkehr lässt sich das Dickschiff mühelos manövrieren, und die beeindruckende Silouette im Rückspiegel legt jedem Autofahrer nahe, keine unbedachten Manöver zu starten. Glaubt mir eh wieder keiner, aber das Ding ist ein perfekter Citycruiser! Niemanden wird hingegen überraschen, dass ich beim Bewältigen der 1001 Kreisverkehre im wiener Umland circa ein Kilo Gusseisen dem Asphalt überantwortet habe, Einbiegen:chrr, umlegen: chrrr, Kreisverkehr verlassen: chr! Man gewöhnt sich dran, macht sogar Spass, so verwegen zu klingen, ohne je ernsthafte Schräglagen zu erreichen. Später, im engen Geläuf des Mariazellerlandes, setzen in den schönen Serpentinen und Kurvenkombinationen dann nicht nur regelmässig die verchromten Surfbretter auf, das deutlich härtere Geräusch rührt von deren Gusseisenträgern her, und die geben nicht nach. Auch nicht weiter schlimm, man kann sogar in Dreipunkttechnik Hangoff trainieren, und gewinnt dabei sogar den Eindruck, die Dicke könne gar nicht nach innen umfallen. Sie wird einfach langsamer, übersteuert ein wenig, good ckean fun, aber ich fürchte, nach ein paar Wochen wird man das Ersatzteillager ansteuern müssen.
Nächster Anruf, diesmal von Harley, wir brauchen die Softail für den Herrn Rechtsanwalt, bitte tauschen! Ich komme widerwillig dem Befehl nach, hätt´ ich nicht gedacht, bin bis zur Affäre mit der DeLuxe eingefleischter Harleyverachter gewesen, das ist jetzt vorbei, ungern aber doch hefte ich wieder mal eines meiner geliebten Vorurteile ab. Und übernehme eine V-Rod Muscle. Beim Besteigen überkommt mich nackte Angst, das Gerät wirkt schwer, unhandlich und kippelig, der 240er Hinterreifen hat keine andere Aufgabe, als den Angebern unter den Kunden ein Kaufargument zu servieren, handlingtechnisch sind diese Gummiexzesse die Katastrophe. Und wieder: Beine wagrecht ausgestreckt und gespreizt, als erwarte den Fahrer eine Darmspiegelung! Dementsprechend unerfreulich gestaltet sich wieder mal der Versuch, dichten Verkehr im Ballungsraum zu bewältigen, die Flucht auf die Autobahn macht immerhin Sinn, und ab Richtgeschwindigkeit bläst einem der Fahrtwind die Füsse von den Rastern, sie finden dann halt bei jenen, die eigentlich dem Beifahrer zugeeignet wären, man hockt dann recht strömungsgünstig auf der Boden-Boden-Rakete, und wenn die linke Spur plötzlich frei wird, schiesst einen das Porsche-Triebwerk zuverlässlich in die Führerscheinfreie Zone. Im Prospekt steht ja auch geschrieben, dass die V-Rods an die uramerikanische Tradition der Dragster erinnern sollen, macht irgendwie Sinn, wäre aber praktisch, wenn man auch während es Beschleunigens schalten könnte, und danach womöglich sogar Bremsen. Wobei: man kann mit dieser Maschine auch um die Kurve fahren, und nicht mal so schlecht, wie Geometrie und Hinterreifen suggerieren mögen. Der Dunlopschlapfen hinten ist ein Wunder der Pneuforschung, und irgendwie harmoniert er sogar mit dem Asphaltschneider vorne. Weite, schnelle Kurven machen Spass, nur wenn´s enger wird, eiert man ein bisserl ´rum, muss sie um die Ecke zwingen, klappt ganz passabel- bis einem die Strasse das Knie gen Brust katapultiert, weil die Fussraster wieder mal aufsetzen, und der Fuss nicht nach oben verdrängt wird, sondern ob des waagrechten Beines nach hinten. Und kurz darauf schleift die Kühlerverkleidung, und man muss den in der Kurve verlorenen Boden wieder mit beherztem Dreh am Gasgriff gutmachen. Und ganz im Gegensatz zur Softail De Luxe gibt’s hier keinen Sicherheitsspielraum, wenn die V-Rod mal aufgesetzt hat, dann gibt es kein Zurück, der Radius wird weit und weiter, gut, wenn man rechtzeitig drauf schaut, adss man ihn hat, wenn man ihn braucht, den Platz nämlich.
So, die Off-Stimme von der Susi brauch ich nicht, danke, ich hab mich entschieden: ich nehm´ die De Luxe, möchte mit ihr ein Wochenende verbringen, nacher könnt ihr uns dann getrennt befragen, wenn sie nicht wert auf Monogamie legt, könnt´ schon was draus werden, in einen Harem gehört sie auf alle Fälle. Die V-Rod war ein interessanter one-night-stand, nix Ernstes, aber man soll ja auch wissen, was man nicht will. Die Dritte? Schon vergessen, besser so…
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