3 tenöre auf koks

`tre pistoni´ steht da auf´s Heck geschrieben, als wär´s ein stimmgewaltiges Trio, das da aus Varese zu uns kommt um sein fröhlich Lied hinaus in den Frühling zu schmettern. Es ist ja immer wieder faszinierend anzusehen, wie in Italien anscheinend schon längst dem Untergang geweihte historische Marken wieder vor den Vorhang treten, und gar nicht selten unter der Regie eines Maestro aus dem Clan des Castiglioni Giovanni aus Varese. Manche Darstellerin geht zwischendurch auf Welttournee, von Conte Agusta 1946 zur Weiterbeschäftigung seiner Angestellten in der Flugzeugindustrie initiiert, kaufte und verkaufte Claudio Castiglioni von 1992 bis kurz vor seinem Tod 2012 die Meccanica Verghera Agusta mehrmals, und wie man hört nie zu seinem Nachteil.
Auch den Motorrädern haben die Transaktionen nicht geschadet, und sogar einen gewissen Nimbus konnte sich die einst streng aristokratisch aufgestellte Marke erhalten. Man ist quasi von oben nach unten gewachsen, die anfängliche Unerreichbarkeit hat Sehnsüchte geweckt, welche nun mittels erschwinglicher Mittelklassemodelle gestillt werden sollen. Wobei natürlich kein ernst zu nehmender Dealer die Sucht je ernsthaft stillen wollen wird, und auch die Klassifikation Mittelklasse bei dieser 800er mit Vorsicht zu geniessen ist, das hier ist schliesslich keine Bayrische.
Die letzte Gelegenheit das süsse Spielzeug klein und niedlich zu empfinden hat man beim Aufsitzen, zwar erinnern einige Karosserieteile aus banalem Plastik an japanische Grossserienware, sonst zeigt sich italienische Ingenieurskunst und Verspieltheit auf kleinstem Raum, nur die aussen am Motorblock herabhängenden Schlauchleitungen erinnern etwas an einen von der Intensivstation geflüchteten Patienten.
Nach dem Druck auf den Startknopf beginnt der Patient zu röcheln, mittels Dreh am Gasgriff kann man ihn auch schreien lassen, heiser bis böse, das winzigkleine Balkendiagramm des Drehzahlmessers verspricht eine Höchstdrehzahl von sage und schreibe siebzehntausend Umdrehungen. Die auszunutzen ist im öffentlichen Verkehr kaum anzuraten, selten war es so leicht schon im zweiten Gang den Führerschein aufs Spiel zu setzen. Dafür kann man die Kosten für die psychologische Nachschulung beim Vorderreifen wieder hereinholen, der gar nicht gerne am Boden bleiben möchte. Überhaupt scheint das Motorrad nur aus Motor zu bestehen, interessanter Weise findet sogar ein üppiger gebauter Chauffeur trotzdem mühelos Platz, gar nicht mal unbequem, auch alle Griffe, Hebel und Pedale passen blendend, auch bis Schuhgrösse 44, dann sollte man aber einen italienischen Schuster beschäftigen.
Durchaus zeitgemäss ist die elektronische Ausstattung zu nennen, die Fahrhilfen nimmt man gerne in Anspruch, besonders die Traktionskontrolle hat sich auf den reichlich mit Rollsplitt dekorierten Nebenstrassen im Semmeringgebiet bestens bewährt. Akustisch ergab das ein imposantes Klanggemälde, das heisere hochbrüllen der drei Pistoni wurde regelmässig mittels Zündunterbrechung von krachendem Bellen untermalt, in zahlreichen Echos von den Felswänden des Kalten Grabens reflektiert, so wird die MV locker ihrem Namen gerecht: Brutale!
P.S.: Auch das Mapping lässt sich einstellen, fragen sie zu Wirkung und Nebenwirkungen ihren Importeur oder Händler möglichst vor Inbetriebnahme, dann sitzen Sie auch nicht dem Irrglauben auf, `S´ stünde für Slow und `R´ für Rain. Au contraire, Sport und Racing sind gemeint, und das meinen die Ingenieri in Varese ganz ernst, da verstehen sie keinen Spass. Aber bereiten uns umso mehr davon, von wegen Sucht stillen, ganz im Gegenteil, süchtig machen Sound und Kraftentfaltung, mich jedenfalls, wie ein halbstarker Twen hab ich die Autokolonnen alttestamentarisch geteilt, flammenden Schwertes und stets ein garstig Lied auf den Lippen und in den drei sündigen Endrohren!

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