viva il re!

Viel zu lange hat man in den einschlägigen deutschen Gazetten lesen können, Horex würde wie Phönix aus der Asche wiederauferstehen. Zu viele Prototypenrenderings, Erlkönigphotos und Exclusivinterviews mit dem Initiator, der Durchhalteparolen ausgab, um an den Wahrheitsgehalt der Meldungen zu glauben, man kennt das ja, MZ, Maico, Münch, oder Norton, Indian und Laverda, eines haben diese Auferstehungsgeschichten doch alle gemein: ihnen fehlt das Happy End.
Oder, besser: fehlte! Denn die Horex fährt, und wie, wird in Serie produziert, sogar kaufen kann man sie, nicht im Internet sondern persönlich und ganz problemlos, in einem seriösen Motorradgeschäft im zwanzigsten Wiener Gemeindebezirk, Service und Gewährleistung inclusive.
Das Motorrad steht ganz selbstverständlich im Showroom, als wäre das natürlichste der Welt, ein völlig neu konstruiertes Sechszylindertriebwerk in einen ebensolchen Rahmen zu hängen. Der Horex haftet nichts marktschreierisches an, keinerlei vordergründigen Designattribute, die auf ihre Mitgliedschaft in einem ausgesprochen exlusiven Klub der einspurigen Oberstklasse. Wo die Gold Wing unmisverständlich ihre Langstreckenqualitäten zur Schau stellt, und die BMW K 1600 die `und-wir-sind-doch-die-Besten´-Attitude des deutschen Ingenieurswesens in barocker Anmutung ins Land trägt, besticht die Horex durch vornehme Zurückhaltung. Nur der elegante Auspuffkrümmerfächer weist eindeutig auf die Anzahl der Verbrennungsräume hin, übrigens meisterhaft gefertigt bei Remus in Österreich, wie so manche Komponenten, einige davon unter strenger Verschwiegenheitspflicht.
Wer aller mitgeholfen hat bei dem Projekt erzählt stolz die Horex Homepage, da ist die Creme de la Creme versammelt, vom Fraunhofer Institut über die Uni München bis zu staatlichen Stellen, VW scheint ebenso auf wie Rolls Royce Oberursel, eigentlich erstaunlich, wenn man sich die konfliktgeladene Geschichte der Royce-Bentley Spaltung in Erinnerung ruft. Zusammengebracht hat dies alles Mastermind Clemens Neese, natürlich nicht alleine, aber ohne die überzeugende Kombination von Vision und Zähigkeit des Schwaben hätte das Projekt wohl den üblichen Gang der Geschichte eingeschlagen, siehe oben. Dann wäre weiterhin die `Regina´ der Gipfel der nostalgischen Gefühle älterer Ledernacken geblieben, doch Rettung naht, mit der VR6 Roadster wird ein Thronfolger vorstellig
Der Verdacht drängt sich auf, dass das VR-6 Konzept bei Volkswagen abgekupfert wäre, tatsächlich hat der Konzern, dem Vernehmen nach auf Zuruf des obersten Herrn P., seine Unterlagen zur Verfügung gestellt, erwartet allerdings im Gegenzug auch über die Erkenntnisse des Horex Teams unterrichtet zu werden, man darf annehmen, die wissen warum. Das Motorradtriebwerk hat natürlich nicht viel mit einem automotor gemein, einerseits hat man mehr Platz nach oben, was gut ist für die Ansaugwege, dafür steht sonst eher wenig Raum zur Verfügung, wie man die drei Nockenwellen und 18 Ventile da untergebracht hat grenzt an einen Taschenspielertrick. Und sitzt man erst einmal im Sattel wundert man sich sowieso, wo denn da diese sechs Zylinder sein sollen, seitlich unterm Tank schau´n sie jedenfalls nicht raus.
Aber sie sind da, spätestens nach dem, ob der grossen Motorölmenge, sachte gestalteten Startvorgang machen sie sich akustisch bemerkbar, gurgeln, röcheln, husten erst elektronisch animiert ein wenig, bevor sich die Drehzahl einpegelt und die Maschine kraftvoll vor sich hin brabbelt wie dies sonst nur italienische Sportwgen drauf haben. Den Akzent behält die Horex netter Weise bei, er wird sogar deutlicher hörbar, wenn man sich mal halbwegs gemächlich dahinrollend mit dem Gerät anfreundet. Niedrige Drehzahlen beherrscht sie zwar, elektronisch auf Regenmodus eingeregelt sogar noch ein wenig besser, muss aber nicht sein, wer verzichtet schon freiwillig auf sechzig Pferdestärken. Innerhalb kürzester Zeit fühlt man sich vertraut und sicher im Sattel, lässt sie höher drehen, und im Handumdrehen ist man dem Sechszylinder verfallen. Ziemlich legal röchelt die Horex durch die Stadt, ein leichtes Zucken im Handgelenk generiert Geräusche aus der Formel 1, man wähnt sich in der Onboard Kamera von Fernandos Ferrari, selten einen derart umwerfend klingenden Motor erlebt, der StVO kompatibel ist.
Auch das Fahrwerk setzt dem Fahrspass keine engen Grenzen, beeindruckend wendig gibt sie sich im Stadtverkehr, nur die Sitzhöhe erinnert einen an der roten Ampel an die schiere Masse des Apparates. Viel interessanter wird es natürlich draussen auf freier Flur, die klassische Dopplerhütten-Tulbinger Kogel Runde lässt Nürbugring Feeling aufkommen, auch wenn die Radien eher auf der engen Seite liegen. Macht aber gar nichts, selbst in den knappen Kehren kommt keine Unsicherheit auf, scharfes Anbremsen gelingt unaufgeregt, das Heck wird erstaunlich leicht für den üppigen Radstand, gefolgt von exaktem Einlenken, berechenbarer Schräglage und kontrolliertem Beschleunigen gibt die Horex dem Fahrer keine Rätsel mit auf den Weg. Nach kurzer Gewöhnung dreht man den Gasgriff am Kurvenausgang rasch ambitioniert auf Anschlag, in den niedrigen Gängen drosselt die Elektronik kaum merklich das Drehmoment, danach schiesst das Triebwerk sein feuerwerk ab. Und wieder, dieser unglaubliche Sound, hohes Suchtpotential geht von ihm aus, wenn Alles mit rechten Dingen zuginge, müssten kaufwillige Interessenten mit einem Rezept vom behandelnden Arzt bei Hebart in der Brigittenau vorstellig werden.

Wahrscheinlich ist die Droge Chefarztpflichtig, da müsste man Dr. Neese noch fragen, leistbar ist die Horex, der Preis liegt knapp unter jenem der BMW, sicherlich reiner Zufall. Vergleichbar sind die beiden ohnehin nicht, als Droge geht nur die Horex VR6 Roadster durch, noch dazu ist sie ganz legal, und für einen Junkie wird einen mit diesem seriös wirkenden Fahrzeug sicher niemand halten!

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