Übelmeinende Geister könnten es auf mein fortgeschrittenes Alter zurückführen, selbst ich habe schon geargwöhnt, es könnte damit zu tun haben, doch wahrscheinlich haben wir uns einfach aufeinander zubewegt, die Road King und meine Wenigkeit. Immer noch besteht das Problem, einer Clichéübertragung, das Gros der Harleyfahrer schafft gerade mal fünfzehnhundert Kilometer in einer Motorradsaison, und erwirbt nicht ein Kraftrad sondern ein Statussymbol. Und ich wollte nun mal nie, dass man mich für einen solchen Parvenue hällt, war mir doch das Fahren immer wichtiger, als das Scheinen, auch wenn ich gestehen muss, dass `fare una bella figura´, wie der Italiener die kontrollierte Aussenwirkung nennt, mir nie ganz unwichtig war, und wohl auch nie sein wird. Schliesslich bin ich ein ganz normales Exemplar der Species homo sapiens virilis, und wir sind nun mal eitle Geschöpfe, da hilft kein Leugnen.
Bella figura also, gute Figur machen, nicht ganz einfach, wenn man den Versuchungen von Lucullus und Apicius nicht widerstehen kann, und Bacchus und Dionysios zum engeren Freundeskreis zählen, man/n, kurz gesagt, den leiblichen Genüssen genausowenig widerstehen kann, wie den Versuchungen leistungsstarker Motorräder. Wobei wir nun schon wieder dabei sind, ein Cliché zu bedienen, nämlich jenes des wohlgenährten Harleyfahrers. Schön langsam passe ich nun doch in die Zielgruppe, der Askese wohl ein Fremdwort ist, macht nichts, der massive Auftritt der Road King, zum Beispiel, verzeiht die gleich geartete Leibesmitte, sowohl optisch als auch leistungsmässig.
Wahrscheinlich sind wir einfach einander engegen gekommen, beide reifer geworden, ich kann jetzt auch langsamer, wenn´s sein muss, die Harley dafür schneller. Den Sound mochte ich schon immer, wie der gelassen stampfende, drehmomentstarke Diesel eines beharrlich die Ägäis durchpflügenden Kaikis, hat was souveränes. Was das Fischerboot aber nicht kann: bei Bedarf auch mal ordentlich Dampf zu machen, lästige Verbindungsetappen zwischen zwei Häfen im Nu überbrücken. Die Road King hingegen schon, hat mich Samstag Nacht ohne mit der Wimper zu zucken oder meinen Stütz- und Bewgungsapparat über Gebühr zu strapazieren vom Rupert Hollaus Memorial am Aichfeld retour kutschiert, nachdem ich den dortigen Red Bull Ring in neuer persönlicher Bestzeit umrundet habe, 38 komma 9 Minuten. Und zwar per pedes, bei ungefähr genau so viel Grad Celsius, im Schatten, den´s aber nicht gibt, die schönen Laverdas sollen sich ja nicht um Baumstämme wickeln. Den leichten Sonnenstich hab´ ich glücklich Van Morrison lauschend am Bike schnell verarbeitet, die Road King verlangt ja G_ttseidank nicht nach TÜV geprüfter Schutzkleidung, im T-Shirt hinter der wohlproportionierten Auslagenscheibe macht man dafür gute Figur und chillt mit hundert Meilen durch den steirischen Forst.
Ein bisserl Leid tut´s mir um die dreizehntausendsiebenhundertfünfundzwanzig Insekten, die unfreiwillig die Reise in die grosse Stadt angetreten haben, zweidimensional an Scheibe, Scheinwerfern und Chromteilen affichiert. Wobei: eigentlich ist es würdig und recht, haben uns die Viecher doch den ganzen Sommer gepiesackt, gestochen, gebissen und sich von unserem Blute genährt. Nun dient mir halt eine, ohnehin kaum ins Gewicht fallende, Randgruppe der lästigen Geschöpfe als Trophäe, die Road King hat eine zweihundert Kilometer lange Schneise in ihren Lebensraum gerissen, komprimiert auf wenige Milimeter erzählen sie die Heldengeschichte meines Rittes durch die Dämmerung. Und so kommt auch niemand auf den Gedanken, ich wäre einer jener typischen Harley fahrenden Automobilisten, die im Jahr weniger Strecke machen, als meine Wenigkeit an diesem Wochenende.
Wenn die wüssten, was ihr Untersatz drauf hat! Als Stadtfahrzeug ob seiner mächtigen Silhoutte ideal, welche Vorrangverletzer ein zweites mal überlegen lässt, dabei durchaus handlich genug, um unpeinlich rückwärts einparken zu können (nur absolute ignoranten parken mit dem Vorderrad richtung Rinnsal, ablegen wird dann zur Pein!). Im städtischen Hinterland bereitet sie unschuldige Freuden, wenn´s sein muss auch verbotene, Verbindungsetappen – siehe oben. Urlaubsreisen müsste man ein wenig vorplanen, das eine oder andere Gepäckstück zusätzlich anbringen, natürlich stilsicher gewählt im Sinne des grossartigen Photographen Dennis Hopper, weil die serienmässigen Packtaschen sind zwar geschmacklich einwandfrei, aber halt doch nicht sehr geräumig. Mehr Platz würde die Street Glide bieten, kostet auch nur einen Tausender mehr, aber da passen dann wieder nicht so viele Fliegen drauf…
Immer diese Entscheidungen, das muss ich mir wirklich genau überlegen. Wirklich? Leicht möglich, ein paar Monde lass ich noch über die Prärie ziehen, Wasser die Mur hinunterfliessen und graue Haare spriessen, dann bin ich vielleicht wirklich so weit, und meine Kreditwürdigkeit hoffentlich auch.