the big easy

Eines können sie, die Japaner: perfekte Fahrzeuge bauen, ohne gleich elitäre Ansprüche anzumelden, wie etwa die Deutschen. Wer eine perfekte Limousine will, ohne sich etwaigen Statusfragen stellen zu müssen, greift beispielsweise einfach zum grossen Lexus, und geniesst ohne Reue. Und wem gar zwei Räder genügen, kann sich einfach die FJR gönnen, da hat er alles was er braucht, und wird doch nie Gefahr laufen, falschen Clichés zum Opfer zu fallen.
Nicht, dass die Yamaha ihr Licht bewusst unter den Scheffel stellen wollte, aber vordergründig prahlen tut sie schon gar nicht. Obwohl die schiere Länge schon einen deutlichen Hinweis auf ihren Anspruch liefert,quer zwischen zwei PKWs geparkt schaut das Vorderrad selbstbewusst hervor, Länge läuft, weiss der Bootsbauer. Und man will ja diese Limousine unter den sportlichen Reisebikes nicht nur für sich alleine haben, gerne nimmt man Jemanden mit auf die Reise. Man muss sich dabei gar nicht mal besonders mögen, auch dem oder der Ex bietet man die Mitfahrgelegenheit gerne an, bei Bedarf kann man Körperkontakt auf der langen Sitzbank vermeiden – oder gegebenenfalls sogar noch eine/n Dritten mitnehmen.
Wegen des zusätzlichen Gewichts braucht man sich auch keine grauen Haare wachsen lassen, der massige Vierzylinder packt das locker. Zum Anfahren reicht im Allgemeinen irgendeiner der ersten drei Gänge, Drehmoment ist jedenfalls im Übermass vorhanden. Und Ruckeln kennt die Yamaha schon gar nicht, ausgesprochen smooth rollt man dahin, schnell findet man sich im fünften Gang. Und dreht am Ortsende einfach den Gasgriff auf als wär´s ein Wasserhahn, und schon rauscht man dahin. Man sucht dabei ratlos nach der Nadel des Drehzahlmessers, die grundelt irgendwo links unten herum, der rote Bereich findet sich hingegen ein ganzes Stück weiter oben, knapp vor dem Fünfstelligen.
Nun könnte man einfach die Fünfte ausdrehen, wäre dann bestenfalls in einer Stunde von Wien in Salzburg, wahrscheinlich sogar ohne nennenswerte Ermüdungserscheinungen, Ergonomie und Aerodynmaik sind dahingehend ausgelegt. Doch lehrt die Erfahrung, dass man wohl eher im Massnahmenvollzug landet, wir heben uns die Probe auf´s Exempel für einen Ausflug in die Bundesrepublik auf. Doch auch die Zweite reicht für´s Kriminal, die gesetzliche Höchstgeschwindigkeit auf österreichs Autobahnen im Nu erreicht. Der Sound schwillt mit dezenten Pfeifen an, klingt ein wenig nach Boeing, fühlt sich auch so an, Schub wie auf der Startbahn, fehlt nur noch der Befehl `rotate´ vom Copiloten, wenn das Vorderrad leicht wird, nächster Gang und ab auf Reiseflughöhe, der Cäpt´n wird sich dann während des Fluges noch mal mit detailierten Informationen melden.
Langstrecke ist also ein Klacks, man muss sich aber auch vor Kurven nicht fürchten. Der lange Radstand sorgt für Stabilität, eine agile Vorderradgeometrie für Kurvenwilligkeit, der 180er Hinterreifen unterstützt die Handlichkeit, ins Cruiser-Segment ist der Drang nach dicken Pneus dankenswerterweise noch nicht vorgedrungen, Poser bedienen sich woanders. Zwar spürt man bei höheren Geschwindigkeiten schon deutlich einen gewissen Hang zur Stabilität, die Maschine verlangt nach klaren Befehlen, aber mit ein wenig Körpereinsatz lässt sie sich durchaus sportlich durch kurviges Gelände führen, ist also auch für den Passstrasseneinsatz bestens geeignet.
Also nix wie ab in den Urlaub, kann auch nur ein Wochenende dauern, eine frühmorgendliche Anreise von ein paar Hunder Kilometern ist dank der elektrisch auf Körpergrösse und persönliche Bedürfnisse einstellbaren Scheibe und der serienmässig wohlig warmen Griffe kaum der Rede wert, da ist das Meer in Reichweite. Anschliessend entspanntes Cruisen auf der Costiera, ein sportlicher Abstecher in die Colli, schliesslich auf die Piazetta zum Café, alles easy!
Dort, zwischen den Prachstücken der lokalen Biker geparkt, mag unreiferen Charakteren das den Besitzerstolz anstachelnde Fachsimpeln und anerkennende Detailvergleichen abgehen, der Kenner hingegen geniesst die gewonnene Zeit, schlürft seinen Capó, amüsiert sich über die Poser, bevor er wieder unbehelligt abhebt, ein paar hundert Kilometer sollten sich heute noch locker ausgehen.

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