Da geben sich westliche Hersteller unglaubliche Mühe, ihre topaktuellen Produkte gegen den Strich zu bürsten, ihnen `Heritage´ einzuhauchen, laufen dem modischen Retro-Trend nach, und bescheren uns Modelle, die den Geist der `guten alten Zeit´ atmen. Passt schon, Entschleunigung und Zeitlosigkeit haben ja tatsächlich ihre Berechtigung. Doch dann taucht da noch so ein neues Schlagwort auf, `Authetizität´ muss jetzt auch noch sein, und hier können plötzlich Produzenten punkten, denen man kaum noch die Existenzberechtigung in der modernen Welt abgestempelt hätte.
LML, mit vollem Namen die Lohia Machines Private Limited, wäre eigentlich so ein Kandidat. Ursprünglich auf die Herstellung für Produktionsmaschinen für synthetisches Garn spezialisiert, ein für die Heimat von Baumwolle und Hanf durchaus innovatives Produkt, hat man sich 1984 zur Diversifikation entschlossen. Bajaj hatte da schon gut und gern zwanzig Jahre Zweisamkeit mit Piaggio auf dem Buckel, aber die Italiener waren ja nie gern Monogam, also durften auch die Garnspinner aus Utar Pradesh Vespas bauen, der indische Markt ist ja aufnahmefähig, ein paar Millionen Kunden suchen immer ein Fahrzeug.
Man sollte aber die Innovationsfähigkeit indischer Ingenieure nicht unterschätzen, da können Sie gerne auch die Herren von Jaguar fragen, die Amis waren da sicher träger. Im Jahr 2000 wurde LML vom Ministerium für Wissenschaft und Technologie sogar ein Staatspreis zuerkannt, und zwar wegen der neuen Motoren, die waren sparsamer als je zuvor und unterboten zudem auch noch die gesetzlichen Abgaswerte ganz erklecklich. Und drei Ventile haben sie in manchen Zylinderköpfen untergebracht, Piaggio hat das erst mit der 125er 3V im Jahre 2012 geschafft.
Antrieb also auf der Höhe der Zeit, sogar `Ganglos´ gibt es die LML, die Automatikversion nennt der Inder `gearless´, passt zum Fahrstil am Subkontinent, den ich als `fearless´ kennengelernt habe, die Hoffnung auf Wiedergeburt scheint da entbehrliche Vorsicht in den Hintergrund treten zu lassen. Immerhin steckt der Motor aber in einer robusten Hülle, zwei aus massiven Stahlblechen gepresste und verschweisste Formteile ergeben punktgenau verschweisst nicht nur einen stabilen Rahmen, sondern stecken auch so manchen Feindkontakt weg. Und sollte die Star doch deutliche Dellen abkriegen, kann man sie ja wieder zurecht biegen, da hat sie keine Allüren, Plastik liegt da oft schon in Splittern auf der Strasse.
Die Robustheit des Rollers wird jedoch die Aufmerksamkeit der meisten potentiellen Interessenten erregen, vielmehr fühlt sich doch der Eine oder Andere schlicht von der klassischen Linienführung angezogen. Sicherlich, es gibt unzählige Argumente für moderne Alltagsscooter, individuelles Auftreten ist aber kaum je eines davon. Spaceig, rund, gefällig, mal eher maskulin gezeichnet, dann wieder sanft und schmeichelnd, so sieht man´s heute gern. Man, aber nicht Jeder, erst recht nicht Jede, gerade modebewusste Damen mustern alte Vespas neugierig, zucken oft nicht mal mit der Wimper, wenn sie den Preis hören. Doch dann sehen sie diese kleinen Zahlen links am Lenker, ja, dort beim Bremshebel. Wie, was heisst hier Kupplung?
Ja, genau hier liegt oft der Stolperstein, nicht nur die Damenwelt stösst sich an der Würgeschaltung a la Primavera, auch fesche ewig junggebliebene Familienväter, denen das Leben in der Familienlimousine zu hermetisch geworden ist, und die sich von der neuen 125-Kubikcentimeter-Freiheit frischen Wind im Leben erhoffen denken mit Schrecken an die Sehnenscheidenentzündungen ihrer rotgetäfelten Rollerjugend zurück, wünschen die Unbeschwertheit des Drehmomentwandlers. Doch die Erlösung ist da, `the very same can be done for your very self, Sir´, wie man im Hause des Maharana sagt, zeitgemässen Bedienungskomfort mit zeitloser Eleganz kombinieren das können sie nämlich, nicht nur im Lake Palace.
Die Inbetriebnahme erfordert auch keine besonderen Vorkenntnisse, nur dass der Knopf für den E-Starter hier in Rot gehalten, und somit einem Notstoppschalter zum Verwechseln ähnlich ist sollte man wissen, sonst ist alles wie gewohnt, Bremse gezogen, Knopferl gedrückt, los geht´s. Zugegeben, nicht ganz so schnell wie auf so manchem taufrischen Konkurrenzmodell, doch wer so stilvoll abrauscht ist über die Leistungsschau des gemeinen Volkes ohnedies erhaben. In würdevoller Haltung thront man über den Dingen, die weit ausladenden Rückspiegel rahmen die Aussicht strahlend ein, was hinter einem liegt bekommt durch die feinen Vibrationen eine leicht psychedelische Aura. Nur die Behauptung, die Abbildung würde Gegenstände weiter entfernt erscheinen lassen, als sie tatsächlich seien, holt einen unsanft auf den Boden der Tatsachen.
A propos Boden: auf dem bleibt sie zuverlässig, lässt einen auch nicht im unklaren über die Beschaffenheit. Wenig sensibel sei die Radaufhängung, könnte man monieren, andrerseits darf man gut das doppelte Eigengewicht als Nutzlast transportieren, indische Familien verreisen gerne gemeinsam, und dann wird´s recht komfortabel. Dem Aufgabenspektrum als Nutztier ist auch die Zubehörliste gewidmet, verschiedene Gepäckträger für beide Enden, praktische Taschen, schützende Scheiben sowie den Damensitz ermöglichende Stossstangen erweitern das Einsatzgebiet, dienen aber auch dem Schmuck und der Individualisierung.
Überhaupt, Individualismus ist das Zauberwort, bei allem Nutzwert wird der westliche Käufer, sofern er ehrlich zu sich ist, dieses Fahrzeug wohl wählen, um sich von der Masse der Plastikrollerfahrer abzuheben, selbst Vespisti der Neuzeit haben das Nachsehen. Zumindest was die Kosten/Aufmerksamkeits-Rechnung anlangt, die LML Star zieht mehr Blicke auf sich, als man meinen möchte. Und um das, geschätzte Leserin, geht´s doch. Oder warum sonst stehen viele von ihnen minutenlang vor dem eigenen Spiegelbild, bevor sie ans Licht der Öffentlichkeit treten. Und die Herren unter den Lesern, bitte nicht voll Schadenfreude auflachen, ich sehe euch täglich, wie ihr vor Auslagenscheiben eure Sitzposition überprüft. Was soll´s, wir sind halt eitle Geschöpfe, bei der LML Star können wir uns aber immerhin auf rationelle Kaufimpulse ausreden, Preis und Transportkapazität etwa. Den zeitlos-eleganten Auftritt bekommt man ja quasi gratis dazu.
..geiler Text.