Wir kennen die Kreationen des Blechmanns nun schon seit einiger Zeit, wann immer ein Motorrad von Titan, Vulkan oder auch Excesior über ein besonders schönes Karosserieteil aus makellos verarbeitetem, glänzenden Blech verfügt, kommt es mit größter Wahrscheinlichkeit aus dem Südburgenland. Noch. „Ich hab die alle viel zu sehr verwöhnt“ zieht der Blechmann Bilanz, doch das könnte sich bald ändern.
Seit gut drei Jahren gilt Bernhard Naumann nun als erste Adresse wenn es um akkurat gebogenes Blech geht, vorher hiess die Firma, die er mit einem Kumpel nur unwesentlich weiter nördlich unterhielt „Blech und Drüber“. Da hat er sein Halbzeug noch lackiert, ewig schade, wie man feststellen muss, wenn man seine rohen zeitgenössischen Arbeiten betrachtet. „Wobei meins war immer eher die Skulptur, ned die Foab“ beeilt er sich klar zu stellen. Nicht, dass der Kompagnon mit der Spritzpistole besonders talentiert gewesen wäre, der hat sich um Bürokratie und Logistik gekümmert, „während i immer lieber g´schöpft hab!“
Schöpfen. Was, sobald man´s liest, nach arroganter Selbstinszenierung klingt bekommt, im, erfrischend altmodischen, südburgenländischen Idiom plötzlich eine andere, ursprüngliche und vor Allem überraschend zutreffende Bedeutung. Korrekt verwendet bietet die deutsche Sprache ja für jede Art Arbeit einen Begriff, welcher die Verrichtung verständlich erklärt. Säen und Ernten, Schrauben, Einstellen, Wuchten, Hohnen und Polieren, spätestens beim Tunen bedienen wir uns heutzutage bereits Fremdwörtern. All den soeben erwähnten Tätigkeiten gemein ist jedenfalls, dass es schon ein Etwas gegeben haben muss, an oder mit dem man die beschrieben Verrichtungen vornehmen kann. Ganz anders beim Schöpfen.
Das Wort beschreibt nämlich einen Vorgang, bei dem der Akteur sein Werk quasi von Null weg erschafft, eifrigen Leser der Heiligen Schrift ist der Begriff Schöpfer natürlich nicht ganz unbekannt, man sollte ihn sich allerdings keinesfalls von religiös motivierten Propagandisten wegnehmen lassen. Weswegen ich Bernhard Naumann zu großem Dank verpflichtet bin, dass er mir dieses schöne Wort wieder in Erinnerung gerufen und mit neuer Bedeutung aufgeladen hat, ganz bescheiden und unschuldig.
Bei jenen uns bekannten Schöpfungen wie den Kotflügeln, Verkleidungen und Abdeckungen welche eingangs erwähnte Customizer -noch- an ihre Maschinen montieren dürfen mag der Begriff zu hoch gegriffen erscheinen, aber wahrlich, ich sage euch, was da alles noch in, hinter oder vor Bernhards Garage lauert gibt Anlass zur Vorfreude. Von jenen Projekten, die gerade erst in seiner Imagination Form annehmen gar nicht zu reden, „da is no so vüü drin, des muass endlich raus“ klingt das in seinen Worten, „des reicht für fünfzig Joahr“, und man versteht warum sich seine Kunden demnächst in Geduld werden üben müssen.
A propos Garage: selbst beim Garagentor konnte er nicht einfach zu einer marktüblichen Lösung greifen, die Ventilsteuerung einer Honda VFR hat er umgenutzt um die Verriegelung zu bedienen, und damit sie nicht obszön laut zuschnappt eine hydraulische Bremse eingebaut, wie von Geisterhand zurückgehalten kehrt der gut geölte Mechanismus im herrlich flugrostigen Stahltor nach dem Öffnen in die Ausgangsposition zurück. Offensichtlich sieht Bernhards genialer Oberflächenplan -nach der Beendigung des Lebensabschnitts „…und Drüber“ ausschließlich entweder hochglanzpolierte rohe oder natürlich patinierte Materialien vor.
Ein ganz besonders schönes Beispiel der Naumannschen Oberflächenveredelung wartet gleich hinter dem Haus im Garten. An eine Birke gelehnt reift dort der Bausatz einer KTM Pony vor sich hin, natürlich nicht aus Spritzgussplastik wie wir das von Tamiya oder Heller kennen, auch der Massstab ist, zurückhaltend gesagt, ungewöhnlich. Die fein säuberlich in einen massiven Rahmen geschweißten Bestandteile der legendären „Ponnetten“ zeigen allesamt stolz ihre ganze Originalgröße, Wind und Wetter haben den 1:1 Scale Bausatz mit einer Patina versehen, die sich offensichtlich an der Birkenrinde ein Beispiel genommen hat. Hätte sich auch in Andy Warhols Factory gut gemacht, ist aber in Sveti Martin oder Rábaszentmarárton zu Hause, nicht in Manhattan, aber Sankt Martin an der Raab ist offensichtlich auch ein ziemlich weltoffenes Pflaster.
Auch Bernhard ist sehr tolerant was die Ausgangsbasen seiner Projekte anlangt, Fabrikate jeder Provenienz warten in der Werkstatt auf ihre Vollendung, von der Zweitaktrakete aus Japan bis zur böllernden Harley. An der finden sich auch Beispiele Bernhards neuester Schaffensphase, er hat unlängst im Nachbardorf einen Gießer aufgetrieben, der von ihm gefertigte Muster in Form bringt die dann als Positive eine ganz neue Dimension Blechmännischer Schöpferei eröffnen. Oberflächen sind nun nicht mehr ausschließlich glatt, blank und glänzend, erstmals finden sich nun graphische Elemente auf, nein, in Seitenteilen und Tanks. Und zu den bekannten, homogen organischen Formen gesellen sich plötzlich kantige Strukturen.
Wirklich interessant wird es aber demnächst, wenn Bernhards geheimnisvoll unter einer Plane verstecktes neuestes Werk zum Einsatz kommt. Was genau sich da versteckt können wir nicht wirklich genau beurteilen, dass es mit einem Opus Magnum zu tun hat ist aber anzunehmen. Wird auch Zeit, dass der Schöpfer mal zeigt, wie ein Motorrad a la Blechmann auszusehen hat. Weil, bei allem Respekt, immer nur den Ruhm der Customizer zu mehren kann´s ja auch nicht sein, wie sagt Bernhard so schön: “ höchste Zeit, dass i die Visionen, die mi jo plagn, endlich aus mei´m Kopf rauskrieg!“ Klingt ein bisserl nach der Legende vom Golem, man kann aber beruhigt davon ausgehen, dass der Blechmann ein ästhetischeres Ergebnis erzielen wird als der alte Rabbi Löw selig!
