
„Form follows function find ich gut, meine Yamaha repräsentiert aber genau das Gegenteil!“ So beschreibt Dr. Enders seine Virago, der man ihre Gene aber alles Andere als ansieht. Gedrungen lauert sie auf der Fahrbahn, tief in die dicke Gabel geduckt, bereit zum Sprung. „Mir gefällt dieser bullige Café Racer Stil einfach, und die Gabel aus der R1 wollte ich unbedingt haben“, präzisiert der Viechdoktor seine Visison. Den nomme de guerre verdankt er übrigens seiner anderen Leidenschaft neben dem Motorradfahren, schon als Jugendlicher hat er einen Narren an Geiern gefressen, sein Veterinärmedizinstudium mit Sommerjobs an der Greifvogelstation in der Burg Landskron finanziert. Diesen Juli war er auf Ö1 als Geierspezialist täglich kurz vor neun zu hören, von den Gänsegeiern hat er da erzählt, und wie sie in Gruppen nach Aas suchen und ihre Hierarchie behaupten.
Im Gegensatz zu seinen Lieblingen streift der Viechdoktor lieber alleine durch die Landschaft, letztes Jahr zog es ihn an den Atlantik, das Wheels and Wave Festival in Biarritz war das Ziel seines sommerlichen Aus-Fluges. Und tatsächlich war die Maschine auch rechtzeitig fertig geworden, den ganzen Frühling über ist er jeden Dienstag, wenn seine Ordination geschlossen war, nach Parndorf gefahren, wo das Projekt bei WSCustoms in der Werkstätte der Vollendung entgegensah.
„Meine handwerklichen Fähigkeiten konzentrieren sich eher auf das Schienen von Schwingen, aber nur gefiederten, die gefederten Dinge sind bei den Schaffarichs besser aufgehoben! Aber unter ihrer Führung habe ich alles, was sie mir zugetraut haben, selbst erledigt, waren natürlich hauptsächlich niedere Tätigkeiten!“ Aber auf das Gefühl der Zufriedenheit, die man spürt, wenn man jeden Schrit selbst mitgemacht hat, würde er nie verzichten wollen.
Und hat es dafür auch gleich noch ein zweites mal erleben dürfen. „Gleich am zweiten Tag in Biarritz haben sie mich abgeschossen“ schildert er seinen misglückten Ausflug 2016, „ich habe also noch eine Rechnung offen gehabt, das Gerät wieder hergerichtet, das gebrochenen Sprunggelenk ausgeheilt, und mich heier wieder auf den Weg gemacht!“ Nun ist die XV1100 Super Virago in der Viechdoktor-WSC Variante nicht unbedingt das typische Reisemotorrad, schon ein schneller Blick auf die Photos lässt an Langsterckentauglichkeit und Komfort zweifeln, von Transportkapazität reden wir da noch gar nicht.
„Aber was braucht man denn schon gross im Sommer“ fragt Dr. Enders verständnislos, „die Zahnbürste braucht nicht viel Platz, den Rest gibt´s doch in jedem besseren Hotel.“ Recht hat er, ein paar T-Shirts, Badehose und Regenkombi, kompakt verschnürt und aufs elegante Heck geschnallt, reicht doch! Da sieht man zwar dann kaum noch was von der eleganten Rauhlederbank, die der Lucky Bastard in Bruck an der Leitha angefertigt hat, dafür braucht er sich nicht ärgern, dass der Doktor sich jegliches Design verbeten und eine ganz schlichte Ausführung bestellt hat.
Mit Gepäck im Rücken reist sich´s ganz besonders entspannt, „der Winddruck reicht gerade, dass er mich aufrecht sitzen lässt“, auch der Beinwinkel ist bei weitem nicht so eng, wie er vielleicht wirkt. Ganz entspannt hockt man in der Virago, die Sicke im rahmen hat man mit zwei schlichten Rohren überbrückt, plötzlich passt die Ergonomie perfekt. Man könnte meinen, das Ding wäre ein Kurvenflitzer, doch der Schein trügt.
Die Standrohre der R1 Gabel sind mittels australischen Spezialhülsen verlängert, stecken also nicht so tief in den Brücken wie im Original, um zu verhindern, dass der Motor am Boden schleift und das Vorderrad bei Betätigung der mehr als reichlich dimensionierten Sechskolbenbremsen den Auspuff schreddert. Entsprechend stoisch läuft die Yamaha geradeaus, Kursänderungen wollen rechtzeitig angedacht und mittels Tritt auf das Bremspedal eingeleitet werden. Hat man dann auch noch ein klares Bild welchen Radius man zu fahren gedenkt bereiten auch enge Bergstrecken Freude, man muss sich ja nicht unbedingt mit einheimischen Kurvenräubern anlegen.
Was heutzutage nach sturem Bock klingt hat noch vor ein paar Jahrzehnten ausgesprochenen Sportgeräten zur Ehre gereicht, die Charakteristik erinnert an eine Ducati 900 SS, die war auch nicht gerade wendig und doch der Inbegriff einer rasanten Rennerin. Ähnlich verhät es sich mit der Persönlichkeit des Triebwerks, der gründlich überarbeitete und danach etwas voluminösere Ex-Elfhunderter schiebt stoisch an, dreht aber auch gerne hoch, auch ähnlich einem italienischen V-Motor aus den frühen Achtzigern, aber eher guzzisch, gut eingefahrene Le Mans gehen ähnlich, nicht wenige von ihnen übrigens mit ähnlichem Hubraum.
Dass man für solch einen Motor keinen Drehzahlmesser braucht versteht sich von selbst, der Moto Gadget Tacho findet dafür locker dort Platz, wo sich einst das Zündschloss breitgemacht hat, dessen Aufgabe nun eine, ebenfalls von Moto Gadget bezogene Fernsteuer Einheit übernimmt.
Von dort kommen auch die Blinker, vorne im Lenker untergebracht, hinten klassisch unauffällig an der Kennzeichenhalterung, Alles in Allem sind die StVO Anbauteile allesammt vorhanden, halten sich aber dezent im Hintergrund. Der Scheinwerfer kommt aus der Yamaha Ersatzteilkiste, wurde lediglich neu lackiert, weil auch darauf versteht man sich ausgesprochen gut in Österreichs wildem Osten!
Sieht man auch an der Oberfläche des knappen Benzintanks. Der kommt aus der indischen Oldtimer Szene, ist die perfekt gearbeitete Replika eines Benelli Mojave Reervoirs aus den letzten Jahren vor der Übernahme und ästhetischen Schlachtung der Firma durch Alejandro de Tomaso. Dessen Form ist dafür drart überzeugend, dass der Tank aus Indien sich auf unzähligen Projekten der letzten Jahre findet, war doch nicht Alles schlecht, in den Siebzigern…
Gut, das Fassungsvermögen ist nicht gerade überschwänglich, „etwas über hundertdreissig Kilometer weit kommt man mit einer Füllung“ hat der Doktor unterwegs herausgefunden, „vielleicht auch mehr, aber das ergibt, wenn man, so wie ich, die Autobahn meidet, sowieso meist deutlich über eine Stunde Fahrzeit, da pausiert man dann gerne!“ Dementsprechend grosszügig hat er seinen Ausflug an den Atlantik angelegt, zwei Wochen insgesammt, davon drei, vier Tage in Biarritz. Vom zweiten, diesmal wirklich erfolgreichen Versuch das Wheels and Wves Festival zu beuschen zeugen die beiden Logos auf der Batterie. Der Rest waren entspannte Tage zwischen Alpen und Meer, geruhsames Cruisen, und natürlich unzählige Antworten auf neugierige Fragen. „Kommt schon gut an, meine XV, kaum einer ahnt auf den ersten Blick, dass das mal eine Vitago war. Vor allem aber: das ist endlich genau das Bike, das ich immer wollte!“ Und genau darauf kommt´s doch an, oder?!
